München – Travemünde

Jetzt noch einmal in Ruhe: Ich bin also wirklich losgefahren, habe nicht umgedreht, nicht gestern Abend aufgesteckt – darauf bin ich ein klein wenig stolz. Es fällt mir schon schwer, alleine zu verreisen, darin bin ich nicht geübt. Jetzt bin ich also unterwegs, bin in Travemünde angekommen und damit schon so weit, dass ich nicht mehr umdrehen mag.

Rein motorradkilometermäßig (es waren heute 824Km) ist das schon mehr als ein 1/3 zum Nordkapp, denn in Finnland sind es nur noch (je nach Route) rund 1600 Kilometer. 

Als ich heute morgen losgefahren bin, war ich so aufgeregt und nervös, dass ich den Weg raus aus München fast wie im Traum gefahren bin. Ich saß da recht eckig auf so diesem Motordings, auf dem ich mich nicht besonders gut zurechtgefunden habe (wie in der ersten Fahrstunde). Dann auf die Autobahn und bei 15 Grad war es noch ganz schön  fröstelig. In Franken wurde es dann wärmer und – nachdem ich einmal quer durch das Land gefahren bin, darf ich das sagen – das war mit Abstand landschaftlich der schönste Abschnitt: die fränkische Schweiz. Sonst hatte der Tag alles, was eine 800km-Tour so haben muss: Ich bin in einer Autobahnauffahrt in Thüringen auf Bitumen weggerutscht, hab‘s aber abfangen können. An einer Tanke in, ähm, irgendwo in Ostdeutschland hat mich ein netter Altrocker mit Yamaha-Harley angesprochen: 

„Wo geht es hin?“
„Heute nach Travemünde, dann nach Finnland und über das Nordkapp durch Norwegen zurück.“
„Ach, ich bin Däne und fahre nach Kroatien.“
„Wenn wir die Touren rechtzeitig getauscht hätten, dann hätten wir uns beide die Anfahrt gespart.“
„Ähm…??? Fahren Sie auch alleine?“
„Ja.“
„Ich habe niemanden gefunden, der jetzt auch nach Kroatien kann.“
„Ich wollte alleine fahren. Das kann ich noch nicht.“
„Doch, ich kann das, aber ich will das nicht.“
„Hm, es scheint, als würden wir das gleiche machen, nur genau umgekehrt?“
„Ja, scheint so. Gute Reise!“
„Dir auch und pass auf dem Weg durch die Berge auf, da gibt es Kurven!“
„Danke!“

Mir war nicht klar, dass die vermeintlich kürzere Route mit sich bringt, dass ich die unterbrochene A14 fahren muss – rund 150 Km Landstraße hinter LKWs aus EST, LIT, PL, CZE und natürlich hinter Traktoren. Mitten durch das flache Heideland. Riesige Kiefernwälder gibt es da und die Häuser sind schon ziemlich geklinkert. Irgendwann fängt die Autobahn dann aus dem Nichts wieder an, ist leer und man kann den ganzen Landstraßenfrust rausheizen. Ich hatte dort tatsächlich einen neuen Autobahnparkplatz für mich ganz alleine bei 30,5 Grad – irgendwo bei Schwerin ums Eck, glaube ich. Noch rund 180 Km nach Lübeck sind es von dort aus, es ist heiß, ich habe eine Fliege im Ohr, sehe vor mir die Gewitterfront, dafür die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht – naja, 80 Km/h in der 60er-Baustelle: Die Rechnung kommt dann nach Hause. Obwohl: Sie haben nur ein Foto von vorne gemacht. Vielleicht habe ich ja auch Glück… Dann rund 50 Km vor Lübeck an der Tankstelle spricht mich ein netter Bulli-Fahrer an: 

„Willst Du nach Lübeck?“
„Ja“ Ich dachte schon, er will mir ein Päckchen mitgeben oder so.
„Lass das jetzt mal lieber, ich komm da gerade her: sintflutartige Regenfälle, riesen Gewitter, mit dem Auto kannst Du nur 40 fahren.“
„Ok, danke.“

Der Regenradar macht mir Mut, die Front zieht raus auf die See. Also egal, los. Nach 10 Km, tröpfelt es, drei Minuten später bin ich nass bis auf die Haut und verstecke mich unter einer Autobahnbrücke. Bin von hinten in die Regenfront gefahren. Schneller als der Regen, oder so…

Als ich endlich die Regenkombi anhabe, hört es auf – aber es hat sich trotzdem gelohnt, denn bei Lübeck geht es wieder los. 15 Grad und gegen 19 Uhr bin ich auf dem Zeltplatz:

„Eine Nacht, das sind 16 Euro.“
„Wann muss ich morgen denn weg sein?“
„Ach, nachmittags irgendwann? Also die Karte an der Schranke geht bis 18 Uhr.“
„Super, dann kann ich morgen hier noch in Ruhe umpacken und so, ich kann nämlich erst gegen 23 Uhr aufs Schiff.“
„Ach dann ändere ich die Auslasszeit, dann können sie bis 22 Uhr bleiben. Ist das recht?“
„Das ist genial.“

Und jetzt: Sitze ich auf dem Stühlchen vor dem Zelt, hatte Käserührei mit Quinoa, ein kühles Bier

und alles trocknet langsam. Es regnet nicht mehr, die Vögel singen und links und vorne schreien zwei Babys – nein, sie haben aufgehört und es ist herrlich hier. Gerade ist es der beste Platz auf der Welt. Und um 21:10 Uhr ist es auch noch hell. Ich glaube, der Tee für die Nacht ist fertig. Ich gehe noch eine Runde spazieren und dann ins Bett – die erste Nacht im neuen Zelt außerhalb der Wohnung. Ein Glück, dass wir die Heringe doch wieder aus dem Parkett bekommen haben. 

Und für die Kenner unter uns: Das Brett liegt jetzt auch da, wo es hingehört: unter dem Seitenständer. Wer wird denn auch Käse darauf schneiden?

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