Danke, liebe Ostsee

14.6. (Freitag) 17.30 Uhr

Die Ostsee hat es bisher gut mit mir gemeint. Ein herrlicher, hellblauer, spiegelglatter Meerestag.

Viel Verkehr ist hier draußen – dem dunkelgraue Flottenverband auf Steuerbord dauerte es zu lange hinter einem Frachter und er hat südostwärts abgedreht. Später wird’s dann neblig.

Ich habe einen typischen dritten Reisetag, bin genervt, miesmufflig und vor allem müde. Bin schon in der Lounge beim Tankerzählen eingeschlafen, dann auf dem Sonnendeck mit Wasabinüssen noch einmal. Vielleicht gehe ich jetzt noch zum Fitnessraum, davor gibt es auch ein Sofa, das ganz bequem aussieht und von dem man Aussicht aufs Meer haben müsste. Echt, dass meine Kabine keinen direkten Zugang zum Pool hat, ist ok, dass sie keinen Balkon hat, ärgert mich wirklich. 

Aber ich habe in meiner Kabine im Schrank etwas Lustiges gefunden. Hier hat jemand ein Buch von einem Finnen vergessen (zum Glück übersetzt): Eiräki Hiresmääki: „Die Sauna im Wald. Gedanken und Aphorismen eines philosophischen Baumfällers“. Das erste Kapitel wird eingeleitet mit „Ich mag Menschen, auch wenn sie gyräkmiäakslon* sind.“ Und zu „gyräkmiäakslon“ schreibt der Übersetzer: 

„Eine korrekte Übersetzung ins Deutsche ist wegen der vielen Konnotationen von „gyräkmiäakslon“ im Finnischen nicht möglich. Als Annäherung wäre im Deutschen eine Mischung aus „dumpfnasig“ und „arschgeigig“ möglich.“ Dann folgt eine kleine Abhandlung darüber, wie der Wald dabei hilft, die Menschen besser zu ertragen. Dazwischen erzählt er viel von seinem Mathelehrer in der 6. Klasse. Sehr eigentümlich, aber ziemlich auf meiner Wellenlänge. Mal sehen, was er noch so schreibt – ich nehme es mal mit. 

Jetzt sind es noch 15 Stunden auf dem Schiff, erst Halbzeit. Angeblich machen die hier im Schiffsladen am zweiten Abend den größten Umsatz mit Alkoholverkauf. Warum nur? Nein, es ist alles gut, ich lade im Wechsel alle Akkus auf, lese Reiseführer – naja, es war ja jeder schon mal auf einer Fähre und weiß, was man da so macht.

Update Samstag 08:30:

Kurz vor Helsinki. Lauter kleine nette Inselchen und es ist kalt und windig und wenn man auf dem Schiff als Mann nur recht wortkarg ist, knurrig guckt und sich selbst finnischen Filterkaffee aus der Kanne eingießt, dann spricht die Kassiererin gleich finnisch mit einem. Also, warm anziehen und losfahren. Fast so, als würde die Reise jetzt noch einmal beginnen.

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