Trödelfjorden

Ein strahlender Morgen, langsames Herumtrödeln bei den Schafen, Kaffee, eine Fähre fährt draußen über den Fjord, ich nehme eine lange Dusche, fahre erst gegen halb elf los. Neben der Straße rauschen immer wieder Wasserfälle, die Berge werden etwas sanfter. Ich biege links ab, weg von der RV17, ich will heute nicht auf Fähren fahren müssen.

Norwegens ehemals längster Tunnel ist 10,7 Km lang – jetzt kann ich es ja zugeben: Ich hatte immer Schiss vor Tunnels, wenn ich mit dem Motorrad unterwegs bin. Es gab immer die vage Angst vor einer Panne, einem Stau, einem Unfall. Jetzt nicht mehr, jetzt sind Tunnel ok. Es geht rein ins Land auf die legendäre E6 – die Nordkapp-Autobahn. Ich bin sie oben im Norden gefahren, jetzt länger nicht mehr.

Sie zieht sich durch die Hügel, die Temperatur geht bis auf 23 Grad, viele Baustellen und teilweise Straßensperren unterbrechen die Fahrt, es geht langsam voran, ich will fahren, will Strecke machen und das schöne Wetter genießen. Vorher ein Besuch der Altstadt von Mosjoen.

Es geht durch lange Täler, links und rechts nur Wald, aber mit Hügeln, es ist noch einmal einsam. Auf einer Hochebene nahe der schwedischen Grenze ist es, wie ich es mir immer in Alaska vorstelle: eine geschwungene Straße, auf der Trucks fahren, daneben die Bahn, auf der anderen Seite ein Fluß, der immer breiter wird, darum herum Wald, zwischendrin Holzhütten.

Wasserfälle und Lachsstufen, die Straße dreht, der Fluß wird kleiner, alles lieblicher,

nicht mehr lange, dann scheint es, als würde man auf den Ammersee zufahren: Bauernhöfe, Äcker, auf denen Weizen wächst, Kühe, alles ist grün, unten liegen Seen, manchmal auch Fjorde. Eine Schnellstraße, zum ersten Mal in Norwegen legal über 80 Km/h.

Sie führt mich in die nächste Regenfront. Nicht viel Regen, ich nehme ihn trotzdem persönlich. Es geht auf Trondheim, 30 Km davor ein Tunnel, draußen hat es 11 Grad, drinnen 23. Der Tunnel wird beheizt, vielleicht zur Trocknung? Es gibt Nebel im Tunneleingang und Regen am Ausgang. 20 Km vor Trondheim biege ich ab, gehe auf einen Zeltplatz: 

„Motorrad und Zelt?“
„Ja“
„Es regnet, ich berechne nur das Zelt.“
„…“
„Duschen?“
„Ja, unbedingt.“
„Zum Aufwärmen geht das aufs Haus.“

Ich bin sprachlos, das passt gar nicht zu meiner Erwartung von diesem 4-Sterne-Platz. Offenbar verdienen die ihr Geld mit den Trondheimbesuchern, die Hütten mieten oder Tage lang ihre weißen Riesendosen stehen lassen. Bei der Einfahrt auf den Platz war ich soweit, dass ich morgen packe und Richtung Heimat aufbreche. Jetzt will ich morgen raus an den Atlantik, dort einen halben Tag verbringen und am Meer schlafen. Maiskolben und Tütensuppe an Frischkäsebrot mit Chilli-Erdnüssen, ich konnte mich beim Einkaufen nicht entscheiden. Jetzt verstehe ich: Ich habe auf ein Zeichen gewartet. Schlafenszeit.

(Heute 420 Km, insgesamt rund 4.500. Mehr als die letzten 2 Jahre zusammen.)

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